„Wer befangen ist, muss sich raushalten“

Offener Brief an die Süddeutsche Zeitung zum Thema „Maibaumstüberl“

Ihre Beiträge in der SZ vom 04.03. unter den Überschriften „Da brennt die Hütte“ und „Wer befangen ist, muss sich raushalten“

Sehr geehrter Herr Lohr,

Ihre oben bezeichneten Beiträge in der SZ vom 04.03. 2023 habe ich mit Interesse gelesen. Sie vertreten darin die Auffassung, Frau Kollegin Stießberger habe an der Behandlung des Tagesordnungspunkts „Maibaumstüberl“ nicht mitwirken dürfen, weil ihr Ehemann derzeit Vorsitzender des Vereins der Maibaumfreunde ist, der dieses Gebäude nutzt.

Leider enthalten Ihre Ausführungen eine falsche Darstellung der Vorschriften der Bayerischen Gemeindeordnung („GO“) über den Ausschluss von Gemeinderatsmitgliedern wegen persönlicher Beteiligung. Art. 49 Abs. 1 Satz 1 GO, der den Ausschluss von Gemeinderatsmitgliedern wegen persönlicher Beteiligung regelt, gilt – wie sich aus seinem Wortlaut ergibt – dann nicht, wenn lediglich ein Angehöriger eines Gemeinderatsmitglieds, aber nicht das Mitglied selbst Vertreter einer anderen Person ist, z. B. auch eines Vereins. Dies ergibt sich aus der Formulierung „von ihm vertretenen“  …….“Person“, die sich lediglich auf das Mitglied selbst bezieht. Sollte auch der „Angehörige“ mit erfasst sein, so müsste es sprachlich korrekt „von ihnen vertretenen“…..“Person“ heißen. Diese – soweit ersichtlich – unbestrittene Auslegung der genannten Vorschrift wurde in der Gemeinde Haar auch in anderen Fällen angewandt. So hat, wie in mehreren öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats im Jahr 2022 zu beobachten war, Herr Kollege Schießl bei Anliegen der vhs – zu Recht – immer mit abgestimmt, obwohl seine Ehefrau Vorsitzende dieser vhs ist. Dies wurde von niemandem beanstandet, nicht einmal von Ihnen.

Auch die von Ihnen vertretene Ansicht, ein Gemeinderatsmitglied sei wegen persönlicher Beteiligung ausgeschlossen, wenn die betreffende Angelegenheit einen Verein betrifft, dem einer seiner Angehörigen als einfaches Mitglied angehört, ist schlicht abwegig.

Dasselbe gilt für Ihre in Ihrem Kommentar zum Ausdruck kommende Meinung, ein Gemeinderatsmitglied könne sich „freiwillig“ der Mitwirkung bei einer Abstimmung enthalten. Soweit die Regelung des Art. 49 Abs. 1 Satz 1 GO nicht eingreift, ist jedes Gemeinderatsmitglied verpflichtet, mit „Ja“ oder „Nein“ abzustimmen, eine Enthaltung ist generell nicht zulässig.

Dass Sie als Journalist nur oberflächliche Kenntnisse der Bayer. Gemeindeordnung haben, ist Ihnen nicht vorzuwerfen. Vorzuwerfen ist Ihnen aber, dass Sie darauf ungerechtfertigte Vorwürfe stützen. Meine Kontaktdaten sind Ihnen bekannt. Ein kurzer Anruf hätte genügt, um Ihren Irrtum aufzuklären.

Die Mitwirkung von Frau Kollegin Stießberger an der Behandlung des Tagesordnungspunkts „Maibaumstüberl“ ist übrigens nicht ungeprüft erfolgt. Herr Bürgermeister Bukowski hatte die Frage danach am Rande einer aus anderem Anlass stattgefundenen Besprechung ausdrücklich gestellt. Sie wurde von Herrn Kollegen Gantzer und mir übereinstimmend in dem beschriebenen Sinn beantwortet, also bejaht; ein Vertreter der grünen Fraktion war nicht anwesend, diese Fraktion hat aber die Mitwirkung von Frau Kollegin Stießberger auch nicht beanstandet.

Ich bedauere Ihren Fehler nicht deshalb, weil er meine Fraktion in ein schiefes Licht rückt. Das halten wir gut aus. Ich bedauere ihn, weil er dazu beiträgt, die Integrität und damit die Legitimation eines demokratischen Vertretungsorgans, eines Gemeinderats, ohne Rechtfertigung zu beschädigen.

Mit freundlichen Grüßen

Dietrich Keymer

Fraktionsvorsitzender CSU